Unterwegs mit dem Bodenseefischer 

Kalt ist es nicht am Bodensee im Juli. Aber noch dunkel, so gegen halb fünf am Morgen, als wir Andreas Knoblauch und seinen Sohn Marco in Unteruhldingen treffen. Wir dürfen die beiden Fischer heute begleiten, ihnen bei ihrer Arbeit auf dem See zusehen und einen Blick hinter die Kulissen ihres Betriebes werfen. Die Aufmerksamkeit sind die beiden gewohnt. Die Presse hat schon öfters angefragt. Für Andreas durchaus verständlich: „Es gibt halt nicht mehr viele von uns“.

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Gleich geht es los an den See

Wir stehen bereit auf dem Firmengelände der Knoblauchs. Neonlicht quält unsere müden Augen. „Fahrt uns einfach hinterher!“ Der Weg an den Steg ist nicht weit.

Die Dämmerung schleicht sich gerade so langsam in den Tag. Am Steg sitzt jemand auf einer Bank und sieht uns zu. Mehr als eine Silhouette kann man nicht erkennen. „Was macht einer um 4.32 Uhr morgens eigentlich da?“, fragen wir uns noch, als wir ins wackelige Boot klettern. 

Nur noch wenige Fische gehen ins Netz

„Die Erträge sind quasi miserabel“, so Andreas. „Eigentlich sollten wir täglich zwei bis drei Kisten Felchen aus dem See holen, damit sich die Fischerei überhaupt lohnt.“ Und was landet tatsächlich im Netz? „15 Stück. Pro Tag! Manchmal auch bloß fünf!“ Auf die Frage nach den Gründen stöhnen die Fischer. Sie sind es leid, immer wieder über die Ursachen des Rückgangs im Fischfang zu sprechen, während sich für sie nichts ändert. Außer, dass die Erträge immer noch mehr zurückgehen.

Heute allerdings scheint ein guter Tag zu sein. 

Während die beiden ruhig und konzentriert ihre Netze aus dem Wasser holen, purzeln nach und nach die Fische ins Boot. „So viele Fische haben wir seit Wochen nicht mehr gefangen“, freut sich Andreas. Und es geht munter so weiter. „Wenn das so ist, müsst ihr jetzt jeden Tag mitkommen. Ihr bringt uns Glück.“ 

„Was sind schon 30 Jahre?“

Wobei man beim Blick über den See tatsächlich ans Wiederkommen denkt. Das Sonnenlicht bahnt sich langsam seinen Weg über den Horizont. Rund um uns her erstrahlt das Firmament in kräftigen, gelben und roten Farben. Um diese Zeit gehört der See praktisch uns, kaum ein anderes Boot ist auf dem Wasser auszumachen. Für Andreas und Marco ist das Alltag. Da hat man sich wahrscheinlich irgendwann satt gesehen. „Nein“, sagt Andreas. „Hat man nicht. Aber ich bin ja auch noch nicht so lange auf dem See. Was sind schon 30 Jahre?“ 

Damals, vor 30 Jahren, haben die Fischer auch noch die meiste Zeit ihrer Arbeit auf dem See verbracht. „Als ich anfing, war das noch alles wunderbar. Wenn du heutzutage mit dem Fang aber nicht mal mehr das Benzin bezahlt hast, das verleidet es einem dann schon.“ Deshalb sehen die Knoblauchs das mediale Interesse positiv. 

„Es ist schon gut, wenn über unsere Lage ab und an berichtet wird. Es geht uns nicht um irgendeine Show, sondern darum, den Beruf transparent zu machen. Damit die Leute sehen können, warum frei gefangene Fische teurer sind als welche aus der Zucht.“ 

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Früher war hier Netz an Netz.
Andreas Knoblauch, Fischer
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Was bewegt einen jungen Mann wie Marco dazu, es ebenfalls mit der Fischerei zu versuchen?

Es ist ein besonderer Tag

Heute aber bleibt die Ausbeute auch bei den weiteren Netzen überraschend gut. Fast drei Kisten sind am Ende voll, das sind immerhin einige Dutzend Felchen. Ob die beiden sonst auch so viel reden, möchten wir wissen. „Kein Wort normalerweise. Wenn wir ‚guten Morgen‘ über die Lippen bringen, ist das schon viel.“

Die Netze sind alle eingeholt, die Morgensonne strahlt vom Himmel. Andreas steuert das Boot zurück zur Anlagestelle. Diesmal gibt er richtig Gas. Wir fühlen uns, als würden wir mit dem Speedboot über den See bretern. Marco kann angesichts so viel kindlicher Freude nur Lachen. „Das ist jetzt annähernd Vollgas!“

Aus dem See in den Verkauf in anderthalb Stunden 
Apropos Vollgas: Im Arbeitstag eines Fischers geht es jetzt erst richtig los. Was Andreas und Marco eben gefangen haben, liegt anderthalb Stunden später in der Theke. Ihr Betrieb hat verschiedene Standbeine, unter anderem das „Fischhaus Löwenzunft” inmitten der Altstadt von Überlingen. Im Bistro dort gehen mehrere hundert Menüs pro Tag über den Tresen. Marco nimmt uns mit dem Pickup mit.

„Ich wollte schon in die Fußstapfen meines Vaters treten, aber zuerst was anderes machen. Nebenher hatte ich da aber schon mit der Fischerei angefangen.“ Heute hat Marco zwei Meistertitel.

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In Überlingen wartet das Team vom „Fischhaus Löwenzunft” bereits auf die Lieferung – und staunt nicht schlecht, dass es heute so viele Felchen gibt. Weil aus dem See immer weniger zu holen ist, haben die Knoblauchs aus der Not eine Tugend gemacht, wenn man so will. „Wir haben Fisch aus aller Welt im Angebot, sind einmal im Jahr im Norden unterwegs. Mittlerweile sind wir da ziemlich fit.“

Der Fang ist verarbeitet

Der frische Fisch wartet auf die erste Kundschaft. Mit Marco geht es wieder zurück nach Unteruhldingen. Dort zeigen uns die Fischer ihre Räucheröfen, nicht ohne Stolz. 

Denn wo ansonsten meist Rauchmaschinen im Einsatz sind, wird bei Knoblauchs morgens noch Feuer gemacht. Das Buchenholz, das den feinen Geschmack bringt, stammt aus dem umliegenden Wald. Auf dem Firmengelände ist alles perfekt hergerichtet; hier feiern sie immer wieder Feste und organisieren Veranstaltungen. Mehrere Standbeine eben. Sogar seine Hochzeit hat Marco hier gefeiert. Für die Fischer am Bodensee muss das Private eben immer irgendwie einhergehen mit dem Beruf. Es ist halt immer viel zu tun. 

Apropos: Wann die beiden denn eigentlich ihre erste Pause einlegen, wollen wir mit Blick auf die Uhr noch wissen. Es ist 11.02 Uhr. „Pause?“ erwidern sie darauf beide und lachen. „Die machen wir jetzt gerade mit Euch. So entspannt können wir es morgen nicht wieder angehen!“ 

Das Fischhaus Löwenzunft in Überlingen

Im „Fischhaus Löwenzunft” in Überlingen ist Sonja Knoblauch die Chefin, hat die perfekte Auslage immer im Blick, kreiert kulinarische Fischplatten für jeden Anlass und ist bekannt für ihre leckeren Spezialitäten. Dabei war ihr Einstieg ins Fischereigeschäft nicht gerade geplant …

„Als ich ein junges Mädchen war – wir waren noch nicht verheiratet – wollte ich mit Andreas zum Tanz in den Mai. Ich sollte ihn zuhause abholen und kam in weißer Hose, ganz schick bei ihm an und da stand er mit seinen Eltern – in Bergen von Fisch! Sie hatten enorm viel gefangen und darum noch unzählige Fische zu filetieren. Sonst wären sie am nächsten Tag hinüber gewesen. Da hat mein Schwiegervater zu mir gesagt: „Tja, Mädle, jetzt hasch zwei Möglichkeiten: Entweder du ziehsch dir Gummistiefel an oder du gehscht wieder!“ Also habe ich die Gummistiefel angezogen. Der Tanz in den Mai war dann natürlich gelaufen. Aber den gibt es ja jedes Jahr!“